Was spirituell anmuten mag, ist für mich tief menschlich: Engel auf Erden. Ein besonderes Erlebnis im Urlaub hat mich dazu gebracht, über menschliche Engel nachzudenken. Ich war in einem Hotel, das auf besondere ernährungsbezogene Bedürfnisse seiner Gäste großen Wert legt. Am ersten Abend nahm ein Kellner beim Abendessen meine Bestellung auf – inklusive meiner Unverträglichkeiten – hier muss bei mir alles passen. Das Essen kommt, es wird von einem zweiten Kellner gebracht. Beim Blick auf meinen Teller habe ich ein komisches Gefühl, schaue den ersten Kellner an, der meine Bestellung aufgenommen hatte, und frage nochmal nach, ob auch alles passt. Er bestätigt mit voller Überzeugung: Ja. Am nächsten Morgen ereignet sich eine ähnliche Situation. Genau dieser Kellner vom Vorabend kommt mit meinem, zuvor bei einem anderen Kollegen, bestellten Omelett auf unseren Tisch zu. Er sieht mich, schaut auf das Omelett auf dem Teller und dreht mit den Worten um: „Das können Sie nicht essen!“ Ich schaue verwirrt, schließlich geht es ja nur um ein bisschen Ei. Im Laufe des Urlaubs habe ich den Kellner noch öfter gesehen und immer gewusst, wenn er da ist, kann mir nichts passieren. Er passt auf mich auf. Menschliche Engel – sind mir auch in anderen Situationen schon begegnet. Ohne sie wäre ich heute nicht mehr hier: Schon als Baby wurde ich durch einen Engel vor dem Sturz aus dem Fenster bewahrt. Damals war mir das natürlich nicht bewusst. Heute merke ich schnell, wenn ich besser auf jemanden hören sollte, obwohl ich eventuell etwas anderes vorhatte. Wir alle können füreinander Engel sein, wenn uns das Wohlergehen des anderen wirklich am Herzen liegt und wir dafür auch bereit sind, ein Risiko einzugehen (z.B. unser Gesicht zu verlieren), wenn es die Situation erfordert. Das heißt, dass es nicht nur im Himmel Engel gibt. Es gibt sie auch direkt unter uns und sie sind einfach da – ohne Ankündigung. Sie brauchen keine Flügel, oft reichen zwei Beine oder auch vier Pfoten. Vor allem aber braucht es keinen ersichtlichen Grund für ihr Handeln, kein Profitdenken oder keine Kompensation, sondern reine Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe. Engel auf Erden machen unsere Welt zu einem besseren Ort.
Ich greife nach dem Teller, aber der zweite Kellner lässt ihn nicht los. Er schaut mich unsicher an, wir halten beide den Teller fest und es ist fast, als ob wir beide daran ziehen, aber er gibt ihn mir nicht. Stattdessen sagt er: „Ich frag da lieber nochmal nach“, und verschwindet wieder mit dem Teller in Richtung Küche. Kurze Zeit später kommt er mit einem neuen Gericht zurück, das er mir zufrieden hinstellt.
Der Kellner hat in diesem Moment riskiert, sein Gesicht zu verlieren: Ich hätte mich laut beschweren können, weil ich der Meinung war, dies sehr wohl essen zu können und zu wollen.
Ich bin tatsächlich kurz verdutzt, erhalte vom Kellner aber eine nachvollziehbare, wenn auch für mich, überraschende Begründung und lächle dann meinen Mann mit den Worten an: „Das ist ein Engel!“
Ich glaube deshalb, dass wir unsere Wahrnehmung darauf schärfen können, um zu erkennen, was wir besser tun oder lassen sollten. Jedoch können auch menschliche Engel nichts (Schlimmes) verhindern, wenn wir uns ihnen bewusst widersetzen, weil wir meinen, es besser zu wissen oder unser Ding durchdrücken zu wollen.
Kohärenz kann im psychologischen Sinn als „Stimmigkeit“ bezeichnet werden. Wenn wir uns „stimmig“ fühlen, sind wir mit uns im Reinen, ausgeglichen und zufrieden. Inkohärenzen erkennen und spüren wir daran, dass wir mit uns hadern: etwas passt nicht (mehr), fühlt sich nicht gut oder richtig an. Die gefühlte innere Welt passt nicht mehr zur erlebten äußeren Welt. Wir haben den Wunsch, dass sich etwas ändert, damit wir uns wieder „stimmig(er)“ fühlen und selbstwirksam handeln können.
Sie können sich einerseits inkohärent fühlen aufgrund eines Verlusts, der Ihre Welt komplett auf den Kopf stellt.
Sie können sich ebenso aufgrund eines wichtigen, privaten Themas, das Sie abseits des Schwinerfer-Lichts (Ihrer beruflichen (Bühnen-)Präsenz) beschäftigt, inkohärent fühlen.